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Anlässlich des 2. öV-Gipfels, zu dem der Pendlerverein geladen hatte, wurden interessante Perspektiven für die Zukunft des Glarner öVs diskutiert. Regierungsrat Tschudi bekräftigte in der Diskussion, dass die direkten Züge zwischen Zürich und dem Kanton Glarus nicht aufgegeben werden und offensichtlich bestehen bleiben. Er erwähnte die Technik der «Flügelung». Dabei würden aus Zürich kommende Züge in Ziegelbrücke getrennt: Ein Teil fährt weiter Richtung Chur, der andere ins Glarnerland. Möglicherweise wäre dies sogar halbstündlich umsetzbar.
Der Glarner Pendlerverein hat am 6. November zum zweiten öV-Gipfel eingeladen, um eine Klärung der Zukunft des öV im Kanton Glarus zu diskutieren. Dazu hatte der Verein Verkehrsfachleute, Politiker und Betriebsspezialisten eingeladen.

Der Verkehrsplaner Roman Steffen aus Luzern hat in einem Inputreferat aufgezeigt, welche Innovationen es heute schon alles gibt. Die Welt ist in Veränderung. So genannte Megatrends wie Digitalisierung, Dekarbonisierung, Automatisierung, Urbanisierung oder Dezentralisierung verändern unser Umfeld und sind nicht aufzuhalten. Es gibt neue Player wie Uber oder Flixbus oder andere Geschäftsmodelle, die unsere herkömmliche Welt verändern. Steffen plädiert: wenn wir wollen, das sich etwas ändert, müssen wir uns selbst ändern.
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Steffen zeigt, dass das System PubliCar, ein Postauto auf Bestellung, speziell interessant ist, weil mit der Technologie von selbstfahrenden Autos, kombiniert mit Mobile-Apps, ein neues Angebot möglich ist, das im ländlichen Raum einer Systemrevolution gleichkommen könnte.
In Kalifornien oder in China sind solche selbstfahrenden Fahrzeuge bereits im Alltag unterwegs. In der Schweiz gibt es Pilotbetriebe. In Glarus sind solche Angebote interessant in jenen Regionen, wo die Wirtschaftlichkeit im Linienbetrieb unbefriedigend ist. In Glarus Süd, im Sernftal oder im Grosstal, wo die Siedlungsdichte geringer ist, könnten mit selbstfahrenden Fahrzeugen auch abends noch regelmässigere Fahrgelegenheiten angeboten werden als heute. Im dicht bevölkerten, engen Tal zwischen Ziegelbrücke und Schwanden jedoch sollten Bahn und Bus im Linienverkehr auch abends mindestens halbstündlich fahren. Je nach Region sollten unterschiedliche Ansätze angestrebt werden. Die Systeme sind da, wichtig ist, ins «doing», in die Umsetzung zu kommen.

Benno Singer, Verkehrsingenieur, Geschäftsführer und Experte aus Winterthur macht Mut, unkonventionelles auszuprobieren. Er unterstützt Steffens Aussage, sich selbst zu verändern. Er berichtet über das Projekt «31 days», wo Kandidaten freiwillig ihr Auto abgeben, den Komfort eines Generalabonnements geniessen und auch von Shared Mobility Angeboten profitieren. In diesen 31 Tagen erleben viele eine neue Mobilitätskultur und verblüffender Weise haben je nach Pilotregion bis zu 40% der Teilnehmenden nach dem Versuch ihr Auto verkauft.
In einem anderen interessanten Projekt wurden Swisscom Mobil-Daten ausgewertet; dabei wurde bei einem überlasteten Kreisel festgestellt, dass 40% der Verkehrsteilnehmenden Mitarbeitende einer einzigen Firma sind. Dank dieser Erkenntnis konnte mit gezielten verhaltensbeeinflussenden Verkehrsmanagement der teure Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vermieden werden.
Singer war als Berater und Experte bei der Verkehrsplanung des ESAFs beauftragt. Alle hatten den Kollaps prophezeit, dank guter Kommunikation haben die Glarnerinnen und Glarner ihr Auto in diesen Tagen zu Hause gelassen, und auch von den ESAF Gästen sind viele tatsächlich früher gekommen und später gegangen, mit dem Velo oder mit dem öV angereist. Was wir daraus lernen können? Wir sollten flexibler sein, nicht jeden Tag immer gleich unterwegs sein.
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Kurt Willi, Manager bei Postauto Graubünden berichtet aus Graubünden, wo am Abend in Thusis, Schuls oder in Ilanz mit Rufbussen die Bewohnerinnen und Bewohner aus den umliegenden Dörfern bis vor die Haustüre gebracht werden.
Christian Marti hat das Podium moderiert und fragt, ob die direkten Verbindungen keine Zukunft mehr haben? Der Verkehrsexperte Steffen meint, man solle heute nicht mehr auf Infrastrukturausbauten warten. Wenn 5 bis 10% der Verkehrsteilnehmenden sich anders verhalten, ist der Stau weg. Kurt Willi, ebenfalls zuständig für die Region Glarus, weist darauf hin, dass die Busse auf den Strassen noch zuverlässiger die Anschlüsse gewährleisten können müssen, damit das Angebot besser akzeptiert werden wird. Busbevorzugungen bei Kreuzungen oder Haltestellen sind wichtig, damit die Anschlüsse zuverlässig funktionieren.
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Regierungsrat Thomas Tschudi verrät, dass bezüglich Busspuren bereits Verhandlungen laufen und offenbar bereits zeitnah Konkreteres kommuniziert werden kann. Der Regierungsrat hat zudem weitere interessante Details berichtet. So habe die Südostbahn nachgewiesen, dass die Technik der «Flügelung» in Ziegelbrücke möglich ist. Künftig könnte also nicht mehr die S25 direkt von Zürich nach Linthal fahren, sondern vielleicht der Interregio 35, wo der eine Zugteil nach Sargans, der andere Zugteil in den Kanton hineinfahren könnte. Da seitens SBB und ZVV angestrebt wird, alle Linien konsequent halbstündlich zu betreiben, wäre also ein Halbstundentakt zwischen Zürich und dem Kanton denkbar, und zwar bis relativ spät in den Abend hinein. Die Idee werde etwas kosten, passt aber in die vorgestellte Strategie der anwesenden Experten.
In der Diskussion mit dem Publikum wurden weitere interessante Themen angesprochen; so sei das Warten an den Glarner Bushaltestelle nicht nur unattraktiv, sondern teilweise sogar gefährlich. Oder die Bedeutung einer guten Veloinfrastruktur, womit das öV Angebot auch besser erreicht werden kann, wenn die erste und letzte Meile besser funktioniere. Bei vielen Neubauprojekten werden heute zudem zu viele Parkplätze gebaut. Bei grösseren Siedlungen in Agglomerationen zeigt sich, dass nicht jede Wohnung ein eigenes Parkfeld brauche. Nicht jeder Haushalt ist bereit, 800 bis 1000 Franken pro Monat zu bezahlen, damit ein eigenes Fahrzeug auch abgestellt und genutzt werden kann. Dieser Betrag ist nötig, wenn alle Kosten einbezogen werden. Nur wenige sind bereit, die effektiven Kosten zu zahlen, die beim Parkieren anfallen würden.





